They call me Mippie

Die Inspiration zu diesem Text geht auf mehrere Begebenheiten zurück. In all diesen Begebenheiten wurde ich von Muslimen und nicht-Muslimen unterschiedlichsten Backgrounds als Mippie oder Muslimischer Hippie, oder Öko-Muslim bezeichnet. Die Leute, die sich hierin wiederfinden sollen mich bitte nicht falsch verstehen. Dieser Text ist weder eine Verteidigung meiner Selbst, noch ein Vorwurf gegen ihre Person.

Er ist lediglich Teil einer Diaspora Reflexion.

Koloniale Kontinuitäten, kulturelle Aneignung und Muslim-Sein in der Diaspora

Auf dem ersten Blick würde mensch vielleicht meinen, dass ich die “typische Ethnostudentin” bin. Mit “Ethnohosen” und so einem Kram. Just let me stop you there. Ich studiere länger Ethnologie, als ich diese Hosen trage und kam nach meinem Auslandssemester aus der Türkei mit diesen Hosen an. Für mich war es mehr ein erkennen und anerkennen meiner Ancestors. Diese sogenannten “Ethnohosen”, kennen viele Menschen of Color als Shalwar oder Şalvar. Irgendwann überkam mich der Gedanke, ob wir als Hijabis nicht doch noch oft versuchen so >westlich< wie möglich gekleidet zu sein, um nicht in irgendwelche Schubladen gesteckt zu werden.

 

Während eine nicht-Muslima oder eine Frau, die kein Kopftuch trägt einen langen Rock aus modischen Gründen tragen kann, wird der kopftuchtragenden Frau schnell Konservativität oder >Fundamentalismus< unterstellt. Trägt sie eine Abaya, wird es ganz kritisch. So gibt es durchaus Fälle, in denen Schwestern, die sich sozial engagierten aus ihren eigenen Reihen nahegelegt wurde, dass sie doch bitte keine Abaya tragen sollen. Oder, dass sie sich doch mal ´bunter´ anziehen sollten. Weiter Frage ich mich, was machen wir mit einer Religion und einem kulturellen Erbe, das für mich durch und durch einen Widerstand darstellt, indem wir white washing betreiben?

In Istanbul begann meine Vorliebe für den Şalvar zunächst aus recht praktischen Gründen. Es war Sommer und verdammt heiß. Meine Jeanshosen klebten an meinen Beinen und zu weite Jeanshosen mochte ich einfach nicht. So kaufte ich mir irgendwann einfach mal zum ausprobieren einen Şalvar und kam nicht mehr davon los. In meiner Jugend hatte ich viele Phasen mit unterschiedlichen Kleidungsstilen aber mit dem Şalvar hatte ich meine Wohlfühlkleidung gefunden.

Mit der Zeit beschäftigte ich mich mit dem Şalvar als Teil unterschiedlicher türkischer und kurdischer Kulturen. Dort wo meine Familie herkommt (Gümüşhane, liegt zwischen Trabzon & Erzincan), wird der Şalvar sowohl von Frauen als auch Männern im Alltag getragen. Der Şalvar wurde für mich somit auch zum Ausdruck meiner kulturellen Identität.

Als Türkin und Muslima in Deutschland aufzuwachsen, mit ganz vielen Fremdbildern über >den Islam< und >die Türken< hat sich in unterschiedlichsten Weisen auf meine Jugend ausgewirkt. An meine Grundschulzeit erinnere ich mich als eine Phase, in der ich mich sehr für das was ich bin geschämt habe. Es war mir peinlich, wenn meine Mutter mit ihrem Kopftuch und ihrem gebrochenen Deutsch an die Schule kam. Es war mir peinlich, wenn ich meinen türkischen Background nicht verheimlichen konnte. Jetzt schmerzt es mich, dass ich dieser Frau, die ich für ihre Kraft und ihre Unabhängigkeit bewundere und deren Charakterstärke ich gerne der ganzen Welt präsentieren würde, damals nicht die ihr zustehende Anerkennung zugestehen konnte.

Und ich glaube, nein ich weiß, dass ich nicht die einzige PoC bin, die solch eine Phase durchlaufen hat. Umso wichtiger wurde mir in sehr viel späteren Lebensphasen nach der Auseinandersetzung mit diversen Dingen das Anerkennen und Zelebrieren dessen, was ´mein´ ist.

Don´t call it “Ethnohose”

Und wenn nun weiße meinen Şalvar “Ethnohose” nennen, dann begehen sie einen Fehler, da sie die Kleidung, – die nicht ihrem kulturellen Background entspringt- zu etwas machen, was vermeintlich aus ihren Kreisen entstanden ist und in erster Linie mit einer weißen ´Subkultur´ assoziert wird.

Nicht das Tragen der Hosen an sich ist das Problematische – etwa wie bei politischen und religiösen Aneignungen, die schlichtweg rassistisch sind (Rastas, Dreads, Plucks und Kopfschmuck von Ingineous People) – sondern die Ignoranz dessen, woher diese Hosen herkommen. Etwas, was keinen weißen Ursprung hat wird durch die Aneignung von weißen ´straßentauglich´, während unsere Großeltern damals für ihre Kleidung angegafft und belächelt wurden. Etwas wird ´hip´, weil es von weißen benutzt, reproduziert und getragen wird. Etwas, was eigentlich mein Statement einer Liebe zu meinem kulturellen Erbe ist, wird an mich als etwas herangetragen, was “typisch Ethno” ist. Und dagegen wehre ich mich.

Ich bin mir dessen bewusst, dass viele Leute den Şalvar in Deutschland eben nur bei “Ethnos” beobachten. Und ich bin mir auch dessen bewusst, dass ich nicht erwarten kann, dass sie das von Heute auf Morgen nicht mehr tun. Dennoch ist meine Kleidung ein Widerstand und dieser Text ein Aufruf an alle Muslime und andere PoC, die den Şalvar in ihren Kulturkreisen haben und kennen. Macht etwas, zu dem wir durch unsere früheren Generationen Zugang haben nicht zu etwas >fremden<, >westlichen< und weißen. Sucht die Verbindung zu euren Ancestors.

Erkennt, dass es neben eurer Sozialisation in Deutschland auch andere Quellen gibt, zu denen ihr durch eure Familiengeschichte Zugang besitzt und die Teil dessen sind, was ihr an die nächsten Generationen weitergeben könnt. Etwas, was ihr als eine unglaubliche Bereicherung anerkennen und zelebrieren solltet.

Kurzum: Ich bin keine Muslima, die auf Hippie macht. Ich werde nur so gelesen, weil die Geschichte und die Kulturen hinter dem Şalvar ignoriert/ausgeblendet werden. We need to stop seeing everything the white way 😉

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